Gruppenbild vor Schloß Frydland (Foto: Herward Gloeden)

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Verständigungspolitische Fahrt 2017 des Bundes der Vertriebenen, Landesverband Niedersachsen nach Tschechien in die Heimat der Sudetendeutschen im Gebiet um Reichenberg und Gablonz.

In der Zeit vom 22. - 25.10.2017 führte der Landesverband des BdV unter der organisatorischen Leitung der Herren Klaus Wiegmann, Michael Gediga und Peter Winkler diese Fahrt durch, die 44 Teilnehmer aus ganz Niedersachsen in die nordöstliche Ecke des heutigen Tschechien führte. Nach ähnlich durchgeführten Reisen in den vergangenen Jahren in die Heimat der Pommern, der Ost- und Westpreußen sowie der Schlesier führte diese Fahrt nicht nach Prag, sondern in die für viele Deutsche wichtige und landschaftliche sehr interessante Ecke zwischen dem Iser- und Riesengebirge. Obwohl vom Wetter zeitweise nicht gerade verwöhnt, konnten wir durch die Reiseleiterin Irena Novak als Vorsitzende des Kulturverbandes in Tschechien die Städte Reichenberg und Gablonz und ihre wunderschöne Umgebung kennenlernen, denn sie wurde in Gablonz als Sudetendeutsche geboren.

Zuvor, da es sich auf der Fahrtstrecke von Bautzen nach Zittau anbot, kamen wir nach Herrnhut.

Hier konnten wir durch Frau Pastorin Frank als zuständige Gästepastorin etwas über die Brüdergemeinde erfahren. Sie zeigte uns den Gemeindesaal, in dem alle Veranstaltungen der Gemeinde stattfinden, erläuterte die Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeinde, von der Aufnahme von Glaubensflüchtlingen durch Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf über die Verhältnisse der Kirche in der damaligen DDR bis zur weltweiten Ausbreitung dieser religiösen Idee in unserer Zeit. Dabei vergaß sie nicht, auf die Entstehung des Herrnhuter Sterns zu verweisen, der überall, besonders in der Weihnachtszeit leuchtet und ein Symbol für Herrnhut ist.

Im Sudetenland angekommen, erfuhren wir, dass z. B. Ferdinand Porsche in Reichenberg (Liberec) geboren wurde, von der umfangreichen Textilindustrie vergangener Zeiten, aber auch von der erfolgreichen Glasbläserkunst, die heute noch erfolgreich in Gablonz (Jablonec n. Nis.) mit rund 50.000 Einwohnern ausgeübt wird.

Wenn man die handwerklich hergestellten Glaswaren entstehen sieht, bekommt man ein wirkliches Verständnis von dieser handwerklichen hohen Kunst. Das der Glasbläserei angegliederte Museum verdeutlichte diese Arbeit anhand der Darstellung von wunderbaren Exponaten. Wir erfuhren aber auch, dass sich Vertriebene aus Gablonz in Neugablonz in Bayern zu einer neuen Gemeinde zusammengeschlossen haben.

Das hinter Tannwald (Tanvald) liegende Harrachsdorf (Harrachow) ist auch das tschechische Zentrum des Wintersports im Riesengebirge.
Wichtig während einer solchen Reise ist aber die Begegnung, die wir im „Haus der deutsch-tschechischen Begegnung“ hatten. Es ist in einem für die Gegend typischen Umgebindehaus mit mehreren Räumen und Exponaten eingerichtet. Frau Petra Laurin als Leiterin dieses Hauses und Frau Christa Petraskowa als Etnologin führten uns die Situation der heute in Tschechien lebenden Deutschen vor Augen. Beide Damen sowie unsere Reiseleiterin Irena Novak sind übrigens auch Autorinnen des Projektes über die „Schicksale der Deutschen aus dem Isergebirge“.

In dem Gespräch wurde deutlich, dass es nach Beendigung des II. Weltkrieges und der danach erfolgten Vertreibung der meisten Sudetendeutschen für die in der Heimat noch verbliebenen Deutschen, die aus welchen Gründen auch immer, verblieben waren, eine Situation entstanden war, die unbeschreiblich, ja unmenschlich war. Das Verhältnis zueinander hat sich im Wesentlichen zum positiven entwickelt, ist aber leider immer noch mit Vorbehalten belastet. So gibt es auch z. B. bis heute keine zweisprachigen Schulangebote, sondern nur Deutsch-Kurse außerhalb des schulischen Bereiches. Auch die deutschen geografischen Namen werden, wenn irgendwie möglich, nicht verwendet, auch wenn es um die Geschichte des Landes geht, die doch eng mit der deutschen verbunden ist. Manche Situationen gleichen denen beim polnischen Nachbarn.

Dennoch bemühen sich alle Seiten um einen Ausgleich, obwohl dieser vielfach von der aktuellen politischen Lage und damit von einzelnen Personen beeinflusst wird und damit von ihren Vorstellungen, Empfindungen bzw. Erfahrungen.
Unübersehbar sind aber sichtbar die österreichischen und deutschen Einflüsse und Verbindungen im Gebiet der Baukultur, z. B. des Jugendstils, aber auch von Vorbildern wie dem Rathaus von Wien in Reichenberg.
Die Geschichte des Landes ist damit fest verbunden mit der uns einigenden mitteleuropäischen Kultur.

Ein weiterer Höhepunkt der Reise waren die ergänzenden touristischen Ziele. So konnte die Gruppe zuerst das Schloss in Friedland (Frydlant) besichtigen, dass von 1622 – 1634 den Feldherrn des 30-jährigen Krieges Wallenstein gehörte, der aber korrekt Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein hießt. Die prächtige, an einem Felsen in mehreren Bauepochen errichtete Burg bestach mit den vielen mit reichlich Möbeln und privaten Gegenständen ausgestatteten Räumen und Fluren. Ein junger Mann, der uns führte, bedauerte außerordentlich, dass es mit dem letzten deutschen Eigentümer, der 1945 ebenfalls vertrieben wurde, bis heute nicht zu einem Kontakt gekommen ist.
Durch das herbstliche Wetter hatten wir dann doch das Glück den Jeschken (Jested) 1.012 m hoch, den Hausberg von Reichenberg mit einer Gondelbahn zu erklimmen und von oben das Tal und die Stadt Reichenberg zu sehen. Nebelschwaden wechselten sich mit sonnigen Augenblicken ab.
Danach führte uns Irena Novak exzellent durch Reichenberg mit seinen rund 100.000 Einwohnern und zeigte uns die wichtigsten Gebäude, erklärte uns das Leben in dieser Region. Glasmalereien in verschiedenen Fenstern des Rathauses mit deutschen Inschriften untermalten die deutsche Geschichte dieser Stadt. Ein geselliger Abend in einer typischen Vorort - Landgemeinde rundete diesen Tag ab.

Es waren inhaltsreiche Tage, die vielen von uns die Augen öffneten, dass es außerhalb des Gebietes der heutigen Bundesrepublik Deutschland auch Menschen und Landschaften gibt, die mit uns in Freud und Leid, mit unserer Geschichte und Kultur eng verbunden sind. Wir dürfen dieses nicht vergessen, sondern müssen alle Anstrengungen unternehmen, dass wir, die wir ähnlich handeln und denken, einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund haben, unabhängig davon in welchem nationalen Staat wir leben, durch ein geeintes Europa zueinanderkommen und gehören.
Zum Abschluss dieser Fahrt konnte, da wir die Stadt Dresden berührten, noch ein Spaziergang durch die Altstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten unternommen werden.

Peter Winkler

Denkmal des Gründers Zinzendorf der Brüder-Unität Herrnhut, im Hintergrund Gebetskirche (Foto: mjg)
Glasbläser in Harachow (Foto: mjg)
Kirchturm in Harachow mit gläserner Glocke (Foto: mjg)
deutsch-tschechische Begegnung (Foto: Herward Gloeden)
Jugendstilhäuser Liberec (Foto: mjg)
Rathaus Liberec (Foto: mjg)