Die diesjährige verständigungspolitische Reise des BdV nach Oberschlesien fand in diesem Jahr vom 13. bis 16. April statt. Vierzig Teilnehmer hatten sich der Fahrt in den Großraum Oppeln (heute Opole) angeschlossen. Oppeln ist Sitz des Regionalparlaments in der Wojewodschaft Opole, der kleinsten Wojewodschaft in Polen.
Auf der Hinfahrt gab es neben vielen Informationen zu der Reise eine historische Einführung durch den stellv. Vorstandsvorsitzenden Peter Winkler, einem gebürtigen Schlesier, der bereits jahrzehntelang Reisen nach Schlesien organisiert und ein ausgezeichneter Kenner der bewegten Geschichte Schlesiens ist. Winkler referierte u. a. über die Befreiungskriege und die Schlacht an der „Wütenden Neiße“ 1813, einem Fluss, der vielfach unbekannt ist. Schlesien war damals preußische Provinz im Deutschen Reich. Zwischen 1919 und 1921 gab es drei bewaffnete Aufstände und im März 1921 erfolgte eine Volksabstimmung in Oberschlesien, in der sich fast 60% der Wahlberechtigten für den Verbleib im Deutschen Reich entschieden.
Am Sonntag, den 14. April stand eine Fahrt zum Schloss Moschen auf dem Programm. Das Schloss wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Grafen von Proskau erbaut. Im Jahre 1866 erwarb Hubert Gustav von Tiele-Winckler das Anwesen. Nach dessen Tod erbte sein Sohn Franz Hubert von Tiele-Winckler das Schloss und erhielt 1895 den Grafentitel vom Deutschen Kaiser.
Nach dem Tod von Franz Hubert von Tiele-Winckler im Dezember 1922 ging das Vermögen an seinen Sohn Klaus Peter von Tiele-Winckler. Da dieser kinderlos blieb, fiel der Besitz 1938 an den Neffen Günter von Tiele-Winckler. 1945 musste er das Anwesen mit seiner Familie verlassen. Danach übernahm die Rote Armee das Schloss. Die Inneneinrichtung des Schlosses wurde damals fast vollständig zerstört. Das Schloss kann heute teilweise besichtigt werden. Die Schlosskapelle wird als Konzertsaal und das ehemalige Herrenzimmer als Bibliothek genutzt.
Von Moschen ging es zum St. Anna Berg, der als Symbol für die Religiosität der Schlesier und Polen steht und eine wesentliche Rolle während der drei Aufstände spielte. Die Reisegruppe wurde von dem Franziskanerpater Gregor empfangen. Da der Besuch am Palmsonntag stattfand, konnten die Gäste an einer Messe teilnehmen, die überwiegend in deutscher Sprache gehalten wurde. Pater Gregor hielt anschließend einen Vortrag über die Geschichte des St. Annaberges und dessen Kloster.
Am Nachmittag besuchte die Gruppe das Dorfmuseum in Friedersdorf, das unter der Leitung von Frau Róża Zgorzelska steht. Das liebevoll gestaltete Museum enthält unzählige Exponate aus der Zeit, als Oberschlesien noch Deutsch war. An das Museum ist eine Begegnungsstätte des deutschen Freundeskreises in Polen angeschlossen. Frau Zgorzelska, die zu der Deutschen Minderheit in Polen gehört, berichtete ausführlich über ihre Arbeit zum Erhalt der deutschen Kultur in Polen. Es folgte eine Führung durch das Museum, das mit Unterstützung der katholischen Kirche und des Staates in einem alten landwirtschaftlichen Gebäude errichtet werden konnte. Das Oppelner Marschallamt besucht gerne mit Gästen diese Einrichtung.
Am Montag stand ein Gespräch im Oppelner Marschallamt mit Vertretern des Regionalparlamentes der Wojewodschaft Opole und der Kreisverwaltung an. Herr Rafał Bartek - Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und zugleich Vorsitzender des Sejmik der Woiwodschaft Oppeln begrüßt die Gruppe. Es folgte ein Film über die deutsche Minderheit, der anschaulich über die Geschichte der Deutschen Minderheit in Polen bis in die heutige Zeit informierte. In der Woiwodschaft Oppeln leben ca. 78.000 bekennende Deutsche.
Es folgten die Ansprache von Herrn Roman Kolek - Vizemarschall der Woiwodschaft Oppeln, Frau Birgit Fisel-Rösle - Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln und Herrn Krzysztof Wysdak - stellv. Oppelner Landrat. In der anschließenden Diskussion konnte die Gruppe viele Informationen über das heutige Leben und die zukünftige Entwicklung in Oberschlesien erfahren. Unterstützt wurde Herr Bartek in der Diskussion von Frau Zuzanna Donath-Kasiura - Mitglied des Sejmik der Woiwodschaft Oppeln.
Danach folgte eine Informationsveranstaltung bei der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Polen (VdG), zu der Vertreter der Organisationen der DMi (Deutsche Minderheit in Polen) gekommen waren. Frau Maria Neumann – Geschäftsführerin und Vorstandmitglied des Verbandes begrüßte die Gäste sehr herzlich und betonte, wie wichtig der Deutschen Minderheit der Kontakt zu den Deutschen Nachbarn sei. Bei der Vorstellung der Aktivitäten des Verbandes wurde Frau Neumann von Frau Monika Wittek - Kulturspezialistin des Verbandes, Herr Lucjan Dzumla - Direktor des Hauses für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Oppeln, Herr Bernard Dembczak - Vorsitzender des Schlesischen Bauerverbandes und Herr Rudolf Urban - Chefredakteur der Wochenzeitung "Wochenblatt" unterstützt.
Am Nachmittag stand eine Stadtführung auf dem Programm. Frau Aneta Lissy-Kluczny, Mitglied der deutschen Minderheit und Reiseleiterin der Gruppe, brachte den Gästen viele historische Hintergründe über Oppeln näher. Sie berichtete auch über die politischen Veränderungen der letzten Jahre in Polen, die für die deutsche Minderheit nicht immer unproblematisch seien. Bei dem Stadtrundgang wurde deutlich, dass Oppeln (Opole) eine moderne und aufstrebende Stadt ist, die sehr viel dafür unternimmt, dass sich gerade junge Familien dort wohlfühlen können.
Bei einem abschließenden Abendessen nutzte die Vorsitzende Editha Westmann die Gelegenheit, sich mit Rafał Bartek über mögliche gemeinsame Projekte zur Stärkung der Deutsch-Polnischen Freundschaft auszutauschen.
Der BdV-LV-Niedersachsen strebt nach seinem Besuch in Oberschlesien eine intensivere Zusammenarbeit und einen regelmäßigen Kontakt mit der deutschen Minderheit und den politisch Verantwortlichen Vertretern der Woiwodschaft Oppeln an.