Tag der Heimat

Feierstunde des BdV Landesverband Niedersachsen

Am Sonnabend, 01.10.2022 fand im Stadteilzentrum Hannover-Ricklingen der traditionelle Tag der Heimat statt, der unter dem Leitwort „Vertriebene und Spätaussiedler – Brückenbauer in Europa“ stand.
Die Landesvorsitzende Editha Westmann begrüßte neben den Mitgliedern des Verbandes herzlich die Ehrengäste, Prof. Dr. Jörg Hartung von der Landsmannschaft Westpreußen (Ansprache zum Tag der Heimat), Justus Gieseler (Jugendbeitrag), Pastor Torsten-Wilhelm Wiegmann (Pastor des Grenzdurchgangslagers Friedland), Klaus Siems (Leiter des GDL Friedland), Christian Grascha MdL (FDP), Doris Schröder-Köpf MdL (SPD), Martina Machulla (CDU), Klaus Engemann (MWK), Lilli Bischoff (Landesvorsitzende der LmDR). Zugleich verwies sie auf die auf den Plätzen ausgelegten schriftlichen Grußworte des Oberbürgermeisters der Stadt Hannover sowie der im Landtag vertretenden Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.

In ihren einleitenden Worten brachte die BdV-Landesvorsitzende besonders ihre Sorgen durch den Krieg in der Ukraine, fehlende Rohstoffe, enorme Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energieknappheit zum Ausdruck. Frau Westmann wies auf den seit Ende des Zweiten Weltkrieges stetig gewachsenen Wohlstand und den damit verbundenen hohen Lebensstandard in unserer Gesellschaft hin und warf die Frage auf, ob es gelingen kann, die schwierige Situation durch Einschränkungen und Verzicht meistern zu können. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass die Politik denen rasch und unbürokratisch helfen muss, die keinen finanziellen Spielraum und keine Einschränkungsmöglichkeiten haben.
Es ist allen klar geworden, dass nunmehr ein Wendepunkt erreicht wurde und unsere Gesellschaft sich neu aufstellen muss.
Nach der Pandemie mit all ihren schlimmen Folgen stehen wir nun vor einer neuen und noch beängstigenderen Herausforderung. Der von Russland begonnene und leider immer noch andauernden und äußerst brutale Angriffskrieg gegen die Ukraine hat unsere Friedensordnung in Europa ins Wanken gebracht.
Gerade der BdV hat durch die Charta der Heimatvertriebenen schon Anfang der 1950-er Jahre darauf verwiesen, dass nur Verständigung zu einem dauerhaften Frieden führen kann. Mit der Charta haben die Heimatvertriebenen ein klares Bekenntnis zu Europa und zum Verzicht auf Rache und Vergeltung abgelegt. Dazu steht der BdV bis heute. „Die Charta zählt mittlerweile zu den Gründungsdokumenten der Bundesrepublik“, so der damalige Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, „und ist über die Jahre zu einem Grundstein der Verständigung geworden. Sie kann beispielgebend sein für Konfliktlösungen in naher und ferner Zukunft...“

Editha Westmann berichtete von einem weiteren Thema, das den BdV auf allen Ebenen bestürzt und umtreibt. Im Einzelplan der Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung Claudia Roth (Grüne) wurden die Mittel für Kulturpflege der deutschen Heimatvertriebenen um über eine Million Euro gekürzt.
Jeder vierte Niedersachse, jede vierte Niedersächsin hat einen familiären Bezug zu Flucht und Vertreibung. Das ist ein Beleg dafür, dass das Thema nicht mit dem Ende der Erleb-nisgeneration erledigt ist. Ganz im Gegenteil, die nachfolgenden Generationen tragen das Schicksal ihrer Vorfahren in ihrer DNA. Das ist wissenschaftlich bewiesen. 
Sie müssen die Möglichkeit haben, ihre eigene Identität, ihre Wurzeln zu finden. 
Dabei spielt die Bewahrung des kulturellen Erbes der Heimatvertriebenen eine ausgespro-chen bedeutende Rolle. Gleiches gilt für die Spätaussiedler.
Auch sie bringen mit ihrer Kultur einen wunderbaren Schatz mit, der für unsere Gesell-schaft ein großer Gewinn ist. Die Kritik an den Kürzungen ist berechtigt, ebenso wie die Schlussfolgerung, die sich daraus ergibt: Die Vertriebenenverbände und die Landsmann-schaften sind mehr denn je auf Zusammenhalt angewiesen, weil es nicht sein darf, dass solche Kürzungen den Fortbestand der kulturellen Arbeit gefährden.

Editha Westmann brachte ihre Verärgerung zum Ausdruck; „Ich muss es so deutlich sagen: Die Kürzung der Fördermittel für Heimatvertriebene und Spätaussiedler ist eine Respektlo-sigkeit gegenüber den Millionen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern und ihren Nach-kommen. Sie muss umgehend zurückgenommen werden. Alles andere ist inakzeptabel: Da-her bitte ich die anwesenden Politikerinnen und Politiker, unser Anliegen zu unterstützen.“

Anschließend machte Westmann darauf aufmerksam, dass nach wie vor die große Rentenungerechtigkeit für Aussiedler und Spätaussiedler nicht geklärt ist. 
Der Härtefallfonds, der in Wahrheit gar keine Rentengerechtigkeit herstellen würde, spielt zu allem Übel auch noch unterschiedliche Gruppen gegeneinander aus und die Länder sollen sich an diesem fragwürdigen Konstrukt beteiligen.
Das Ganze ist nach Westmanns Einschätzung eine einzige Farce.
„Wer die Lebensleistung der Aus- und Spätaussiedler hervorhebt und ihnen attestiert, dass sie einen enormen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten, der darf sie in der Fremdrentenfrage nicht im Stich lassen!“ so Westmann.
Noch einmal bekräftigte Editha Westmann das Leitwort und mahnte, dass es kein Wunder sei, dass gerade in diesen Gruppen eine Politikverdrossenheit zu spüren ist, die angesichts solcher politischen Entscheidungen niemanden verwundern kann.

Pastor Wiegmann stellte in den Mittelpunkt seines geistlichen Wortes das Beispiel eines zu füllenden Koffers und zeigte auf, was ein Mensch einpacken würde, wenn er die Heimat verlassen muss. Dabei zeigte er die Parallelen zwischen Flucht und Vertreibung im Zuge des Zweiten Weltkrieges und heute in der Ukraine auf.

Christian Grascha betonte in seinem Grußwort die Schrecken des schrecklichen Krieges in der Ukraine und die Bedeutung des Friedens in Europa. Dabei betonte er, wie wichtig die Aufgabe des BdV als Brückenbauer ist.
Klaus Siems stellte in seinem Grußwort die Frage, ob die Themen Flucht und Vertreibung ihn persönlich betreffen würden, da er keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Heimatvertriebenen und Flüchtlingen hat. Am Ende beantwortete er diese aufgeworfene Frage klar mit einem Ja. Siems betonte, dass es ein gesamtgesellschaftliches Thema ist und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, diese Themen im Gedächtnis zu halten.  Die Grundgedanken der Charta müssen weiterhin in die Öffentlichkeit getragen werden.

Der Jugendbeitrag kam in diesem Jahr von dem 17-jährigen Justus Gieseler aus Oldenburg. Er berichtete, wie er dazu kam, dass er sich mit Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkrieges befasst hat und von seinen in Ostpreußen liegenden Wurzeln.
Justus forderte in seinem Beitrag, dass der Begriff „Heimat“ und die Kenntnisse über Flucht und Vertreibung im Zuge des Zweiten Weltkrieges verstärkt im Schulunterricht einfließen müssen. ER machte deutlich, dass junge Menschen kein Interesse für die Themen entwickeln können, wenn sie gar nichts darüber wissen. Der BdV sollte nach seiner Ansicht auch verstärkt junge Menschen ansprechen und kreative Anreize schaffen, um das Thema in den Fokus von Schülern und Schülerinnen und Studenten und Studentinnen zu bringen. Gieseler wies auf den von der Landesbeauftragten für Vertriebene geschaffenen Nachwuchspreis hin, der gezeigt hat, dass junge Menschen sehr wohl einen Zugang zum Thema haben, wenn sie die erforderliche Unterstützung und Beachtung bekommen.
Der Festredner, Herr Professor Dr. Hartung, verwies in seiner beeindruckenden Rede auf das Motto des diesjährigen Tages der Heimat. Zudem gelang es ihm, die Herausforderungen der Vertriebenenarbeit in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in fließenden Übergängen deutlich zu machen. Die Rede von Herrn Prof. Hartung finden Sie nach diesem Bericht als Pdf.
Im Anschluss an seine Rede ehrte Professor Hartung das Ehepaar Erika und Reinhard Reh für ihre großen Verdienste für die LM Westpreußen und zeichnete sie mit einer Urkunde und einer Brosche bzw. Anstecknadel aus.

Die Ehrung der Verstorbenen nahm Peter Winkler, stellvertretender Landesvorsitzender des BdV, vor. Das Lied vom Kameraden spielte Justus Gieseler erstmals öffentlich auf der Trompete.

Das musikalische Programm wurde von Frau Nikoleta Ion am Flügel gestaltet.

Am Schluss der Veranstaltung dankte die Landesvorsitzende Editha Westmann allen, die zum Gelingen des Tages der Heimat beigetragen haben.
Sie wünschte dem erkrankten Landesschatzmeister Klaus Wiegmann baldige Genesung und wies auf die geplante nächste verständigungspolitische Fahrt im nächsten Jahr hin, die Interessierte nach Oksbøl an der Westküste Dänemarks führen soll, wo auf dem ehemaligen Gelände eines Lagers für deutsche Heimatvertriebene ein beeindruckendes Museum entstanden ist. Westmann sieht diese Reise als Beitrag zur Aussöhnung zwischen Dänemark und Deutschland.
Frau Westmann schloss die Veranstaltung mit der Hoffnung, dass beim nächsten Treffen wieder Frieden in Europa herrschen möge und unser Land von weiteren Eskalationen und einem Krieg verschont bleibt.
 

Der Tag der Heimat wurde aufgezeichnet. Hier der Link zur Aufzeichnung auf YouTube:

https://youtu.be/SswOv1ghNhs Aufzeichnung Tag der Heimat 2022 in Ricklingen

Editha Westmann bei der Begrüßung
Geistliches Wort durch Pastor Wiegmann
Totenehrung mit Peter Winkler
Justus Gieseler, Trompete, Lied vom Kameraden
Grußworrt Christian Grascha, MdL
Grußwort Klaus Siems
Nicoleta Ion am Flügel
Justus Gieseler, Jugendbeitrag
Professor Hartung bei der Ansprache
Ehrung der Eheleute Reh durch Prof. Hartung (re.), Editha Westmann (lks.)
Eheleute Reh mit Urkunden, eingerahmt von Editha Westmann und Prof. Hartung (Foto: Gloeden)
Justus Gieseler mit Editha Westmann
Teilnehmer der Veranstaltung (Foto: Gloeden)
Schluss Ansprache Editha Westmann (Foto: Gloeden)

Ansprache zum Tag der Heimat des BdV am 1. Oktober 2022 von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jörg Hartung

„Vergessen tötet noch einmal“

  • Ansprache zum Tag der Heimat des BdV am 1. Oktober 2022 im Freizeitheim Ricklingen, HannoverSehr geehrte Frau Westmann,sehr geehrter Herr Grascha, Liebe Landsleute, liebe Freunde,meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank, Frau Westmann, für Ihre freundliche Einladung und dass ich heute hier zu Ihnen sprechen darf. Es freut mich, dass sie sich alle die Zeit genommen haben, um an dieser Feierstunde zum Gedenken an die alte Heimat, am heutigen Tag der Heimat, teilzunehmen. Ich möchte meine kurze Ansprache unter das Motto stellen, welches die aktuelle Kulturstaatsministerin im Bund Frau Claudia Roth im Februar dieses Jahres in einem Interview mit der HAZ geprägt hat: „Vergessen tötet noch einmal“. Und ist es nicht auch so, dass immer, wenn gesagt wird, nun lasst die alten Geschichten aus der alten Heimat ruhen, es sich ein bisschen wie sterben anfühlt? Es geht hier nicht um Aufrechnung...
Professor Hartung bei der Ansprache

Grußwörter:

weitere Impressionen der Veranstaltung